Schwerpunkt: Materie
FE-Vorhaben: M02 Kondensierte Materie
Beteiligte Institute: IFF ZCH ISG ZAT Verantwortlich: Prof. H. Müller-Krumbhaar, IFF, h.mueller-krumbhaar@fz-juelich.de
HGF - Research Field / Programme / Topic(s)
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5 |
Structure of Matter |
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5.4 |
Condensed Matter Physics |
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5.4.1 |
Electronic and Magnetic Phenomena |
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5.4.2 |
From Matter to Materials |
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5.4.3 |
Soft Matter and Biophysics |
Aufgaben und Ziele
Phänomene und Mechanismen sollen aufgeklärt werden, die sich aus dem Zusammenwirken der elektronischen, atomaren und molekularen Bestandteile der kondensierten Materie ergeben. Vielskalige Prozesse stehen im Vordergrund der Untersuchungen. Von den Forschungsergebnisse dürfen Auswirkungen auf weite Bereiche der Wissenschaften und der Technik erwartet werden. Programmschwerpunkte sind "Elektronische und Magnetische Phänomene", "Von Materie zu Materialien", sowie "Weiche Materie und Biophysik". Untersucht werden elektronische und magnetische Quantenzustände und Eigenschaften, Supraleitung, Phasenumwandlungen und Transportvorgänge, glasartige Zustände, sowie Strukturbildung und Selbstorganisation. Das Spektrum der zu erforschenden Materialien umspannt den ganzen Bereich von Metallen, Halbleitern und Keramiken über makromolekulare Systeme bis hin zu biologischen Membranen und Zellen. Es wird eine große Zahl von experimentellen und theoretischen Untersuchungsmethoden eingesetzt und weiterentwickelt: Experimentell liegt ein Schwerpunkt bei der Neutronenstreuung und der Synchrotronstrahlung, in der Theorie werden neben analytischen Methoden auch umfangreiche numerische Verfahren angewendet.
Wichtige Ergebnisse im Jahr 2003
Elektronische und Magnetische Phänomene
- Die Erforschung der Spindynamik in ultradünnen epitaktischen Filmen ist von großer Bedeutung für das Verständnis magnetischer Eigenschaften in nanostrukuturierter Materie. Ein solches Verständnis ist wiederum Voraussetzung für die Entwicklung nanoskaliger Bauelemente, welche den Elektronenspin als Informationsträger beinhalten. Bislang war es nicht möglich, die Kopplungsdispersion von Spinwellen an Oberflächen und in ultradünnen Filmen zu untersuchen, da die Empfindlichkeit der klassischen Methode zur Untersuchung der Dispersion von Spinwellen, die Neutronenstreuung, für Oberflächen und Dünschichtsysteme nicht ausreicht. Basierend auf der langen Tradition in der höchstauflösenden Elektronenstreuung im ISG3 (vormals IGV) wurde jetzt ein neuartiges Spektrometer für Elektronen entwickelt und in Zusammenarbeit mit dem Max-Planck Institut für Mikrostrukturphysik in Halle zum Einsatz gebracht. Damit ist es im vergangenen Jahr gelungen, die Dispersion von Spinwellen in ultradünnen Cobaltfilmen (Dicke 4-8 monoatomare Lagen) zu bestimmen. Der Bau eines weiterentwickelten Spektrometers zum Einsatz in Jülich im Rahmen der Programms Kondensierte Materie und wird gegenwärtig vorbereitet.
- Ein grundlegendes Verständnis der mikroskopischen Prozesse, die die Magnetisierungsdynamik bestimmen, ist unerlässlich für die Entwicklung neuer Strategien zur Kontrolle schneller magnetischer Schaltvorgänge, wie sie beispielsweise in der magnetischen Datenspeicherung gebraucht werden. Mit einer Weiterentwicklung der Methode der Photoemissionsmikroskopie wurde es erstmals möglich, die Magnetisierungsdynamik in magnetischen Mikrostrukturen mit einer Zeitauflösung von ca. 100 ps bei gleichzeitig hoher Ortsauflösung zu beobachten. Die Ergebnisse an Permalloy-Proben zeigen den Einsatz von inkohärenten Rotationsprozessen als Reaktion auf sehr schnelle magnetische Feldpulse.
- Endohedrale, d.h. mit einem Fremdatom gefüllte Fullerenkäfige, sind Modellsysteme für das Studium elektronischer Wechselwirkungen auf molekularer Ebene. Die elektronische Struktur endohedraler Fullerene wurde an verschiedenen Beispielen mit Raster-Tunnelspektroskopie (STS) untersucht. Dabei konnte gezeigt werden, das diese Spektren auf der Basis der Elektronenstruktur undotierter ("leerer") Fullerene verstanden werden können, wenn man zusätzlich Ladungstransfer und Jahn-Teller Aufspaltung berücksichtigt.
- Organische Moleküle sollen in der Zukunft auch als schaltbare Verbindungen zwischen metallischen Leitern eingesetzt werden, mit vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten zumindest für Spezialaufgaben, etwa im Bereich der Sensortechnik. Hierzu ist ein grundsätzliches Verständnis der Adsorption und der Anpassbarkeit solcher Moleküle notwendig. Theoretische Untersuchungen von kleinen chiralen Molekülen auf Substraten haben beispielsweise ergeben, dass die Modifikation der elektronischen Molekülzustände durch das Substrat zu Phasen mit unterschiedlicher chiraler Ordnung des organischen Adsorbates führt.
Von Materie zu Materialien
- Seit langem ist bekannt, dass Prozesse der Diffusion, Reifung und Selbstassemblierung an der Grenzfläche Festkörper-Elektrolyt vom angelegten elektrischen Potential der Festkörperelektrode abhängen, ohne dass die Grundlage dieser sog. "elektrochemischen Temperprozesse" verstanden war. In den Jahren 2000-2003 wurden am ISG zu diesem Themenkreis erstmalig quantitative experimentelle Ergebnisse erzielt. Jetzt ist ein entscheidender Durchbruch im theoretischen Verständnis erreicht worden und erst wurde eine generische Theorie der Potentialabhängigkeit der Oberflächendiffusion, der Reifung und der Selbstassemblierung an der Festkörper-Elektrolyt Grenzfläche entwickelt. Sie erlaubt unter bestimmten, experimentell realisierbaren Voraussetzungen auch quantitative Aussagen.
- Das Material Lanthanaluminat zeichnet sich als interessantes Filtermaterial für Applikationen im Mikrowellenbereich oder als Substratmaterial in der Hochtemperatur-Supraleiter-Technik aus. Um Keramiken hoher Güte dieses Materials herzustellen, wurden hier verschiedene Präparationsmethoden entwickelt. Speziell die chemischen Präparationsverfahren liefern hierbei Proben besonders hoher Güte. Die Ergebnisse der morphologischen und elektrischen Untersuchungen zeigen deutliche Korrelationen zwischen dem elektrischen Verhalten und den morphologischen Eigenschaften, sowie dem chemischen Reinheitsgrad der Proben. Es zeigte sich, dass der vom Präparationsweg abhängige Reinheitsgrad der Proben noch vor deren Morphologie entscheidenden Einfluss auf das Güteverhalten besitzt.
- Oberflächen-Facetten eines Kristalls, die bei tiefen Temperaturen auftreten, können bei Temperaturerhöhung am Aufrauungsübergang verschwinden. Die betreffende Oberfläche entwickelt langwellige Fluktuationen, sie wird rau. Adsorbatatome auf Kristalloberflächen wechselwirken nicht nur auf direktem Wege miteinander, sondern auch indirekt über elastische Verzerrungen des Substrates. Der Einfluss dieser elastischen Kräfte zwischen Oberflächenatomen auf den Aufrauungsübergang ist erstmals untersucht worden. Überraschenderweise können selbst kleine elastische Kräfte aufgrund deren langer Reichweite dramatische Verschiebungen der Aufrauungstemperatur bewirken.
Weiche Materie und Biophysik
- Fluoreszenz-Korrelations-Spektroskopie (FKS) hat sich zu einer wichtigen Methode für die Untersuchung der dynamischen Eigenschaften einzelner Moleküle entwickelt. Um die charakteristischen Größen der intramolekularen Dynamik linearer Polymere wie z.B. von DNA oder Aktinfilamenten zu bestimmen, muss die theoretische Abhängigkeit der FKS- Korrelationsfunktion von diesen Parametern bestimmt werden. Basierend auf einem früher entwickelten Modell zur Beschreibung der Dynamik semisteifer Ketten, haben wir die FKS- Korrelationsfunktion berechnet. Das FKS-Signal enthält Beiträge sowohl von der Diffusion des gesamten Moleküls als auch der intramolekularen Dynamik. Im Wesentlichen wird das Signal für kurze Zeiten durch die intramolekulare Dynamik und für langen Zeiten durch die Diffusion bestimmt. Jedoch liegt der experimentell zugängliche Bereich typischerweise im Übergangsbereich, in dem beide Beiträge wichtig sind. Der Vergleich zwischen dem theoretische Modell und experimentellen Daten ergibt eine sehr gute Übereinstimmung.
- Einschlussverbindungen finden breite Anwendung wegen ihrer katalytischen Aktivität, Selektivität gegen Isomere, Speichereigenschaften (Energie, radioaktiver Abfall), etc. Mit Hilfe von Neutronenstreu-Untersuchungen des Rotationstunnelns kleiner Moleküle kann die Potentialfläche der Wirtskäfige sehr genau charakterisiert werden. Solche hochaufgelöste Neutronenspektren von Methyljodid in kubisch II Wasserclathrat zeigen drei unterschiedliche Adsorptionslagen, die mit drei verschiedenen Wasserstoffbrücken des Käfigs zusammenpassen. Der Übergang der metastabilen Tunnelzustände ins thermische Gleichgewicht koppelt an die Bewegungen in den Wasserstoffbrücken des Wirtsgitters.
- Die Öl- und Wassermenge, die mit einem gegebenem Volumenanteil eines Tensid gemischt werden kann, definiert die Effizienz des Tensids. Im betrachteten Modellsystem hat die resultierende Mischung bikontinuierliche Morphologie. Eine kleine Menge eines amphiphilen Block-copolymers erhöht die Effizienz signifikant. Demgegenüber reduzieren die separierten Blöcke (Homopolymere) die Emulsifikationsfähigkeit. Theoretische Vorhersagen führen dieses Phänomen auf polymerinduzierte Änderungen der Biegesteifigkeit der Membran zurück. Mit Hilfe von Neutronenkleinwinkelstreuung (SANS) und Neutronen-Spin-Echo (NSE) Spektroskopie wurde der Polymereinfluß auf die Biegesteifigkeit direkt gemessen. Ein Vergleich der SANS- und NSE-Messungen informierte darüber hinaus über die Renormalisierung der Biegesteifigkeit durch Membranfluktuationen.
- Die Form und Bewegungsfähigkeit (Motilität) einer substratgebundenen biologischen Zelle wurde mit Hilfe der Monte Carlo Methode untersucht. Auf Grund der Simulationsdaten konnten Skalengesetze zwischen der Grösse der Zelle und dem eingeschlossenen Zytoskelett gefunden werden. Mit zunehmender Konzentration von Aktinmolekülen findet ein Übergang von einer motilen zu einer statischen, immobilen Phase statt. Ausserdem wurde gefunden, dass die Geschwindigkeit der Zelle bei einer optimalen Depolymerisationsrate maximal wird.
- Die Adhäsion zwischen lebenden Zellen wird durch molekulare Erkennungsreaktionen zwischen oberflächenverankerten Biomolekülen auf den adhärierenden Zellen verursacht. Der Zusammenhang zwischen den Eigenschaften dieser molekularen Bindungen und der mechanischen Stärke der Adhäsion ist der Schlüssel für ein grundlegendes Verständnis der biologischen Adhäsion. Bisher wurde die mechanische Stärke der Adhäsion stets mit den Eigenschaften von Bindungen zwischen gelösten Biomolekülen verglichen. Bei einem solchen Vorgehen wird allerdings die Tatsache vernachlässigt, dass reale Adhäsionskontakte von oberflächenfixierten und nicht von frei diffundierenden Molekülen getragen werden. Wir haben erstmals systematisch den Einfluss der Oberflächenfixierung auf die Eigenschaften von Bindungen zwischen Adhäsionsmolekülen experimentell untersucht. Dabei zeigte sich, dass die Steifheit der Verankerung von großer Bedeutung ist und dass die Dissoziationsrate von Bindungen zwischen Zelladhäsionsmolekülen alleine durch die Oberflächenverankerung drastisch, d.h. um ungefähr zwei Größenordnungen, ansteigt. Dieser Effekt wurde von uns mit grundlegenden Prinzipien der statistischen Mechanik erklärt.
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